Arbeitnehmerhaftung

Verursacht ein Arbeitnehmer bei der Arbeit einen Schaden für den Arbeitgeber, einen Kollegen oder eine betriebsfremde Person, kann sich der Arbeitgeber fragen, ob er ihm eine Abmahnung erteilt oder ihn sogar kündigt.

Außerdem stellt sich die Frage, ob der Verursacher vielleicht zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist. Um diesen Schadensersatz geht es hier.

Arbeitnehmer haften ihrem Arbeitgeber im Prinzip unter den gleichen Voraussetzungen auf Schadensersatz, unter denen umgekehrt auch der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer schadensersatzpflichtig ist.

Konkret muss der Arbeitnehmer

  • erstens gegen seine rechtlichen Pflichten verstoßen,
  • zweitens dadurch einen Schaden verursacht und
  • drittens den Pflichtverstoß und den Schadenseintritt verschuldet haben. Das heißt, er hat vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt.

Abweichend vom allgemeinen Schadensrecht verlangt das Bundesarbeitsgericht zugunsten des Arbeitnehmers, dass sich sein Verschulden nicht nur auf den Pflichtverstoß, sondern auch auf die Schadensfolge bezieht.

Die erste Haftungsvoraussetzung ist in den meisten Fällen klar gegeben, da die arbeitsvertraglichen Haupt- und Nebenpflichten, die den Arbeitnehmer betreffen, weit gespannt sind. Auch Übermüdung, plötzliche Arbeitsüberlastung oder ähnliche Umstände ändern in der Regel zunächst nichts daran, dass praktisch jeder Fehler, den man als Arbeitnehmer machen kann, zugleich eine Verletzung rechtlicher Pflichten ist.

Auch die zweite Voraussetzung, der Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden, ist meistens gegeben, denn auf hohe oder geringe Wahrscheinlichkeiten oder auf andere Ursachen kommt es dabei nicht an.

Betrachten wir folgenden Fall: Ein Arbeitnehmer schließt abends die Eingangstür nicht ordentlich ab und ein Einbruch ist in dieser Gegend sehr unwahrscheinlich, da gegenüber einer Polizeiwache ist. Trotzdem kommt es zum Einbruch mit Diebstahl. In diesem Fall ändert weder die geringe Wahrscheinlichkeit eines Einbruchs noch die Tatsache, dass der Arbeitnehmer ja nicht der Einbrecher ist, etwas am direkten Zusammenhang zwischen Pflichtverstoß und Schaden.

Auch die dritte Voraussetzung für die Schadensersatzpflicht des Arbeitnehmers, nämlich dass er vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat, ist oft gegeben. Denn nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, das auch im Arbeitsrecht gilt, genügt schon der kleinste Verstoß gegen die erforderliche Sorgfalt für den Umstand der Fahrlässigkeit und somit Schuldhaftigkeit.

Auch dafür ein Beispiel: Ein Berufskraftfahrer parkt den Firmentransporter bei Dunkelheit und starkem Regen in eine enge Parklücke ein. Infolge der schlechten Sicht fährt er gegen eine Mauerecke und verursacht dadurch einen Lackschaden.

Beim Beweis einer Schuld steht ein Arbeitnehmer besser da als ein normaler Schädiger. Dieser muss im Normalfall vor Gericht im Schadensersatzprozess sein Nicht-Verschulden beweisen.

Demgegenüber muss der Arbeitgeber als geschädigter Anspruchsteller im Haftungsprozess beweisen, dass der Arbeitnehmer vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Damit Arbeitnehmer nicht zu oft zu hohe Schäden tragen müssen, werden sie rechtlich geschützt, soll das Arbeitsverhältnis nicht zur Haftungsfalle werden.

Eine wichtige Vorschrift zugunsten des Schadensersatz-Pflichtigen enthält das Bürgerliche Gesetzbuch. Danach ist der Umfang der Schadensersatzpflicht gemindert, wenn den Geschädigten ein Mitverschulden trifft. Das Mitverschulden kann sowohl bei der Entstehung des Schadens eine Rolle gespielt haben als auch darin, dass es der Geschädigte unterlassen hat, die Höhe des Schadens zu mindern.

Auch dazu ein Fall: Ein Arbeitnehmer fährt einen Lkw auf dem Firmengelände rückwärts an eine Laderampe, wo er entladen werden soll. Es ist kurz vor Feierabend und nur noch eine halbe Stunde Zeit. Außerdem ist kein Kollege dabei, der ihn einweist. Der Fahrer beeilt sich und stößt beim Zurücksetzen so stark gegen die Laderampe, dass ein Teil der Ladung umstürzt und beschädigt wird.

Hier im Beispiel hat ein überwiegendes Mitverschulden des Arbeitgebers den Schaden mitverursacht, so dass die Haftung des Arbeitnehmers auf weniger als die Hälfte sinkt.

Da man als Arbeitnehmer

  • immer auf Anweisung seines Arbeitgebers und in dessen Betrieb tätig wird, und
  • meist keinen Einfluss auf die betrieblichen Abläufe und Gefahren hat, und
  • auch nicht in der Lage ist, mit seinem Arbeitsverdienst hohe Verluste bei betrieblichen Schadensfällen auszugleichen, begrenzt die Rechtsprechung die Pflicht des Arbeitnehmers zum Schadensersatz gegenüber dem allgemeinen Zivilrecht erheblich.

Konkret gelten für alle Schäden des Arbeitgebers, die ein Arbeitnehmer durch eine betrieblich veranlasste Tätigkeit verursacht, die folgenden Haftungsregeln:

  • Bei Vorsatz haftet der Arbeitnehmer voll, also auf Ersatz des gesamten Schadens.
  • Bei grober Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer in der Regel voll, also in den meisten Fällen auf Ersatz des gesamten Schadens, doch gibt es auch Ausnahmefälle, in denen die Ersatzpflicht gemindert ist.
  • Bei mittlerer Fahrlässigkeit wird der Schaden unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt.
  • Bei leichter Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer gar nicht.

Diese von der Rechtsprechung zugunsten des Arbeitnehmers aufgestellten Regeln gelten nur für Schadensfälle während der Arbeit.

Vorsatz ist es, wenn der Arbeitnehmer wissentlich und willentlich nicht nur einen Pflichtverstoß begeht, sondern dadurch auch wissentlich und willentlich einen Schaden herbeiführt. Wenn er also beispielsweise einen Bürocomputer aus dem Fenster wirft, nachdem er seine Kündigung bekommen hat.

Grobe Fahrlässigkeit ist es, wenn man selbstverständliche Sorgfaltsregeln außer Acht lässt. Der Verstoß gegen die »im Verkehr erforderliche Sorgfalt« muss also sehr krass und entsprechend leicht erkennbar sein.

Von der Rechtsprechung entschiedene Fälle für diese Art von Fahrlässigkeit sind zum Beispiel

  • das Einfahren in eine Kreuzung bei roter Ampel,
  • Alkohol am Steuer,
  • das Telefonieren mit dem Mobiltelefon im Auto ohne Freisprechanlage.

Auch wenn der Arbeitnehmer bei grober Fahrlässigkeit in der Regel den gesamten Schaden ersetzen muss, so heißt das noch nicht, dass diese Pflicht starr ohne jede Ausnahme eintritt.

Die Arbeitsgerichte machen nämlich auch bei grober Fahrlässigkeit zugunsten des Arbeitnehmers Ausnahmen von der vollen Haftung. Zum Beispiel dann, wenn das Missverhältnis zwischen Arbeitsverdienst und Schadenshöhe zu extrem ist oder dann, wenn der Arbeitgeber ebenfalls dazu beigetragen hat, dass der Schaden so hoch ausgefallen ist, zum Beispiel wenn er nicht durch eine Versicherung vorgebeugt hat.

Auch bei grober Fahrlässigkeit ist es also durchaus möglich, dass der Arbeitnehmer nur einen Teil des Schadens tragen muss.

Mittlere Fahrlässigkeit ist das Außerachtlassen der erforderlichen Sorgfalt. Wenn es keine Anhaltspunkte für leichteste oder für grobe Fahrlässigkeit gibt, wird von mittlerer Fahrlässigkeit ausgegangen.

Eine Aufteilung des Schadens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erfolgt nicht schematisch je zur Hälfte. Es werden sämtliche Umstände des Einzelfalls gewürdigt. Dabei spricht Vieles im Ergebnis für eine weitgehende Entlastung des Arbeitnehmers. Dann wird der überwiegende Anteil des Schadens dem Arbeitgeber zugewiesen. Sogar die hundertprozentige Entlastung des Arbeitnehmers ist nach der Rechtsprechung eine mögliche Variante.

Zur Entlastung des Arbeitnehmers können beitragen:

  • die objektive Gefährlichkeit der Arbeit (»Gefahrgeneigtheit«),
  • die Höhe des Schadens,
  • die Vergütung des Arbeitnehmers (die eine Risikoprämie enthalten kann),
  • die Stellung des Arbeitnehmers in der Betriebshierarchie,
  • die Möglichkeit des Arbeitgebers, dem Schaden durch eine Versicherung vorzubeugen,
  • der bisherige Verlauf des Arbeitsverhältnisses.

All das kann im Einzelfall eine Herabsetzung des vom Arbeitnehmer zu tragenden Anteils am Schaden bewirken.

Die leichteste Fahrlässigkeit ist so etwas wie das Gegenstück zur groben Fahrlässigkeit: Ein Ausnahmefall, in dem den Arbeitnehmer nur ein ganz geringes Verschulden trifft.

Beispiel ist etwa eine extreme Überforderung – wenn der Arbeitnehmer durch eine Anweisung des Arbeitgebers in eine Situation gerät, der er nach seiner bisherigen Arbeitserfahrung von vornherein nicht gewachsen ist.

In solchen Fällen ist eine Haftung des Arbeitnehmers vollständig ausgeschlossen. Solche Fälle kommen allerdings eher selten vor.

Wird ein Kollege geschädigt, ist eine Haftung – ebenso wie beim Arbeitgeber – ausgeschlossen, wenn es sich um

  • einem Personenschaden handelt oder
  • einen Versicherungsfall im Sinne des Unfallversicherungsrechts und wenn
  • der Verursacher diesen Versicherungsfall oder Personenschaden nicht vorsätzlich herbeigeführt hat.

Der Grund für diesen Haftungsausschluss liegt darin, dass in diesen Fällen die Unfallversicherung für den Schaden des Arbeitskollegen aufkommt. Der Ausschluss der Haftung umfasst auch den Anspruch auf Schmerzensgeld.

Für Sachschäden eines zu Schaden gekommenen Kollegen, etwa für beschädigte Kleidung, Uhr, Brille etc., ist dagegen Ersatz zu leisten, da die Unfallversicherung hier keine Leistungen erbringt und der gesetzliche Haftungsausschluss dementsprechend nicht greift.

Dafür kann der Arbeitnehmer aber in einem solchen Fall möglicherweise von seinem Arbeitgeber Freistellung verlangen, also dass der Arbeitgeber für ihn einspringt und dem geschädigten Kollegen Ersatz leistet.

Solch ein Freistellungsanspruch setzt voraus, dass der Unfall durch eine betrieblich veranlasste Tätigkeit herbeigeführt wurde, aber weder vorsätzlich noch grob fahrlässig. Bei leichtester Fahrlässigkeit besteht der Freistellungsanspruch in voller Höhe: Man kann vom Arbeitgeber verlangen, dass er komplett für den Schaden aufkommt. Bei mittlerer Fahrlässigkeit kommt ein anteiliger Freistellungsanspruch in Betracht, bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Schädigung besteht in der Regel gar kein Freistellungsanspruch.

Ein Freistellungsanspruch ist wirtschaftlich nur etwas wert, wenn der Arbeitgeber ihn auch erfüllen kann. Er versagt daher, wenn der zu ersetzende Schaden die finanziellen Möglichkeiten des Arbeitgebers übersteigt, was dann passieren kann, wenn ein Unfall die Firma in die Pleite führt.

Lenkt ein Arbeitnehmer zum Beispiel einen geleasten oder von der Bank finanzierten Lkw mit leichtester Fahrlässigkeit in den Graben, kann leicht ein Schaden von 120.000 Euro entstehen. Der Arbeitgeber wird in der Folge der Ereignisse insolvent.

Der Fahrer kann einen Freistellungsanspruch wirtschaftlich nicht durchsetzen, weil der Arbeitgeber nicht zahlungsfähig ist. Daher bleibt er als Schadensverursacher in vollem Umfang in der Haftung gegenüber dem Geschädigten.

Für Arbeitnehmer gilt daher folgende rechtliche Empfehlung: Verlangt der Arbeitgeber, dass der Arbeitnehmer mit geleasten oder auf Kredit finanzierten Sachen arbeitet, kann er diese Arbeit verweigern, solange keine ausreichende Vollkaskoversicherung mit überschaubarer Selbstbeteiligung besteht.