Ausschlussfristen

Der Begriff bezeichnet den Tag, an dem vertragliche Ansprüche verfallen, wenn diese bis dahin nicht geltend gemacht werden. Aufgrund von Ausschlussfristen kann jede Art von Ansprüchen eines Arbeitnehmers restlos ungültig werden.

Ein solcher Verlust droht allerdings auch dem Arbeitgeber: Wenn er zum Beispiel meint, dass er von einem Arbeitnehmer Schadensersatz verlangen kann (und dabei im Recht ist), ist dieser Anspruch möglicherweise durch eine Ausschlussfrist bereits verfallen. Ausschlussfristen dienen wie die Vorschriften über die Verjährung der Rechtssicherheit: Sie sollen eindeutig regeln, bis zu welchem Zeitpunkt aus einem Arbeitsverhältnis noch Ansprüche abgeleitet werden können.

Anders als bei der Verjährung von Ansprüchen braucht sich eine beklagte Partei bei einem Prozess nicht auf eine Ausschlussfrist zu berufen. Das Arbeitsgericht muss sie nämlich von Amts wegen, also von selbst, beachten. Auf die Verjährung des eingeklagten Anspruchs muss man sich als beklagte Partei im Prozess dagegen ausdrücklich berufen. Das Gericht berücksichtigt die Verjährung sonst nicht für sein Urteil.

Ausschlussfristen sind keine gesetzlich festgelegten Fristen. Vielmehr können sie in Arbeitsverträgen oder in Tarifverträgen individuell vereinbart sein. Solche Bestimmungen nennt man Ausschlussklauseln. Manchmal finden sich Ausschlussklauseln auch in Betriebsvereinbarungen.

Auch Sozialpläne enthalten manchmal Ausschlussklauseln. Sie besagen, wann Ansprüche der Arbeitnehmer aus einem Sozialplan verfallen, wenn sie nicht rechtzeitig geltend gemacht werden. Wer etwa für einen kirchlichen Arbeitgeber tätig ist, muss die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) beachten. Das sind Regelungen, die Tarifverträgen ähnlich sind und auf die der Arbeitsvertrag üblicherweise verweist. Auch AVR enthalten Ausschlussklauseln.

Statt von »Ausschlussklauseln« »spricht man auch von »Verfallklauseln«. Diese Fristen haben eine gefährliche Tücke: Sie gelten auch, wenn der Betroffene sie nicht kennt. Das passiert häufig dann, wenn im Arbeitsvertrag durch eine sogenannte Bezugnahme die Anwendung eines bestimmten Tarifvertrags vereinbart ist, der dann seinerseits Ausschlussfristen enthält. Deswegen muss man unbedingt in seinem Arbeitsvertrag beziehungsweise in einem darin möglicherweise erwähnten Tarifvertrag nachschauen, ob dort Ausschlussklauseln enthalten sind.

Ausschlussfristen können also sehr gefährlich sein. Gerade Arbeitnehmer kennen sie oft nicht oder schätzen ihre rechtliche Bedeutung falsch ein. Das führt immer wieder dazu, dass Lohnansprüche ersatzlos entfallen. Diese massiven Folgen von Ausschlussfristen wurden von der Rechtsprechung in den letzten Jahren unter Verweis auf die gesetzliche Pflicht des Arbeitgebers zur Erteilung eines Arbeitsnachweises abgemildert. Verstößt der Arbeitgeber nämlich gegen diese gesetzliche Pflicht (die auch einen Verweis auf Tarifverträge enthalten muss, falls diese auf das Arbeitsverhältnis anwendbar sind), dann kann er sich nicht auf darin enthaltene Ausschlussklauseln berufen.

Tarifvertragliche und arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelungen können nicht nur vertragliche, sondern auch gesetzliche Ansprüche betreffen. Sogar solche, die zugunsten des Arbeitnehmers notwendig sind, von denen also nicht zu Lasten des Arbeitnehmers abgewichen werden darf. Während also ein vertraglicher Verzicht des Arbeitnehmers auf solche Ansprüche ungültig wäre, ist es zulässig, eine gerichtliche Geltendmachung durch eine Ausschlussklausel auszuschließen.

Von Ausschlussklauseln können daher zum Beispiel auch Ansprüche auf Urlaubsabgeltung oder auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall betroffen sein. Welche Ansprüche im einzelnen von der Ausschlussklausel betroffen sind, ergibt sich natürlich aus dem Inhalt der jeweils geltenden Klausel.

In einem wichtigen Punkt ist die Wirkung von Ausschlussklauseln allerdings beschränkt. Wenn der Arbeitgeber durch eine (Gehalts-)Abrechnung die Leistung einer bestimmten Anzahl von Arbeits- und/oder Überstunden sowie den dazugehörigen Stundenfaktor anerkannt hat, dann muss der Arbeitnehmer die entsprechende Lohnforderung nicht mehr gesondert geltend machen. Also schriftlich oder durch Lohnklage vor Gericht, um eine Ausschlussfrist zu wahren.

Das Bundesarbeitsgericht hat 2005 in einer grundlegenden Entscheidung geurteilt: Eine einzelvertragliche Ausschlussfrist von nur zwei (oder weniger) Monaten benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist daher unwirksam. Das gilt, wenn die Frist in einem vom Arbeitgeber einseitig vorformulierten Standardarbeitsvertrag steht, was in der Regel zutrifft.

Eine Frist von weniger als drei Monaten für die erstmalige Geltendmachung arbeitsvertraglicher Ansprüche hält das Bundesarbeitsgericht für unangemessen kurz. Sie ist daher nach dieser Rechtsprechung unwirksam. Das heißt: Sie fällt für den Arbeitsgeber ersatzlos weg, während der Arbeitsvertrag im Übrigen bestehen bleibt.

Die Rechtsprechung unterscheidet einstufige und zweistufige Ausschlussfristen. Einstufige Ausschlussfristen sehen vor, dass die Ansprüche bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei geltend gemacht werden müssen. Dabei wird meistens verlangt, dass die Geltendmachung schriftlich erfolgt. Eine Klage dagegen ist in der Regel nicht erforderlich.

Zweistufige Ausschlussfristen verlangen, dass man nach der (schriftlichen) Geltendmachung seiner Forderung innerhalb einer weiteren Ausschlussfrist Klage beim Arbeitsgericht erheben muss, falls die Gegenseite die Leistung verweigert. Auf der zweiten Stufe ist daher der Gang zum Arbeitsgericht zwingend vorgeschrieben.

Meistens verlangen Ausschlussklauseln die schriftliche Geltendmachung -in Textform ist ausreichend- von Forderungen. Dann müssen die Ansprüche in einem kurzen Schreiben an den Vertragspartner nach Grund und ungefährer Höhe formuliert werden. Der Arbeitnehmer müsste daher zum Beispiel schriftlich erklären, dass ihm aus einem bestimmten Grund (Gehalt für den letzten oder vorletzten Monat, Weihnachtsgeld etc.) noch die Summe X zusteht und dass er diese hiermit verlangt. Ist man nicht ganz sicher, wie hoch die Summe genau ist, fordert man eher zu viel als zu wenig.

Um spätere Beweisprobleme zu vermeiden, sollte man Kopien von solchen Schreiben zurücklegen, das Original unterschreiben und dem Vertragspartner entweder per Einschreiben/Rückschein zusenden oder durch Boten überbringen lassen. Im zweiten Fall sollte der Bote das Schreiben lesen und seinerseits auch eine Kopie behalten. Der Bote kann dann gegebenenfalls den Inhalt und die Übergabe des Schreibens bezeugen.

Bei der schriftlichen Geltendmachung muss man übrigens keine Zinsen verlangen. Das kann später nachgeholt werden, falls die Gegenseite nicht zahlt und es zu einem Gerichtsverfahren kommt. Laut Bundesarbeitsgericht sind aber auch ein Telefax oder eine Email ausreichend für die schriftliche Geltendmachung.

Wer gekündigt wird und dagegen klagt, will sein Arbeitsverhältnis retten und damit natürlich auch die künftigen Lohnansprüche, die er hat, falls er gewinnt. Das Vorgehen ist für Arbeitnehmer allerdings mit Risiken verbunden. Angenommen, er strengt einen Prozess an, der sich über längere Zeit hinzieht, und sein Arbeitgeber, der die Kündigung für berechtigt hält, verweigert laufende Zahlungen. Diese müssten dann durch Klageerweiterungen nachgefordert werden. Weil das juristisch und finanziell für den Arbeitnehmer riskant ist, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden: Wenn Arbeitnehmer durch eine zweistufige Ausschlussfrist zu solchen Klageerweiterungen gezwungen sind, bevor rechtskräftig feststeht, ob die Kündigung Bestand hat, gelten beide Fristen als gleichzeitig eingehalten.

Lohnansprüche verfallen daher nicht, wenn der Arbeitnehmer es unterlässt, im Laufe des Prozesses seine Klage immer erneut um die laufend fällig werdenden Lohnansprüche zu erweitern. Damit wurde ein entsprechendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 2008 bestätigt.