Außerordentliche Kündigung

Bei einer außerordentlichen Kündigung wird die für eine ordentliche Kündigung vorgeschriebene Kündigungsfrist nicht oder nicht vollständig eingehalten oder ein Arbeitsverhältnis gekündigt, das eigentlich gar nicht kündbar ist.

Außerordentliche Kündigungen sind daher in vielen – jedoch nicht in allen – Fällen zugleich auch fristlose Kündigungen. Eine außerordentliche, dabei aber nicht fristlose Kündigung liegt zum Beispiel dann vor, wenn der Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen einen Mitarbeiter kündigt, der wegen tariflicher oder gesetzlicher Vorschriften unkündbar ist. Bei einer solchen außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung ist die Kündigungsfrist einzuhalten, die bei Kündbarkeit gegeben wäre. Das nennt sich außerordentliche Kündigung mit (sozialer) Auslauffrist.

Liegt tarifliche oder gesetzliche Unkündbarkeit vor, kommt eine außerordentliche Kündigung beispielsweise dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer grob gegen seine Pflichten verstoßen hat oder wenn der Arbeitgeber den Betrieb stilllegen möchte. Das Beispiel Betriebsstilllegung zeigt, dass nicht jede außerordentliche Kündigung wegen eines Pflichtverstoßes erfolgt. Vielmehr kann man durchaus auch dann außerordentlich gekündigt werden, wenn man sich nichts hat zuschulden kommen lassen.

Außerordentliche Kündigungen können sowohl vom Arbeitgeber (geschieht überwiegend) als auch vom Arbeitnehmer ausgesprochen werden. Beide benötigen einen »wichtigen Grund«.

Das ist zum Beispiel ein ganz besonders schwerwiegender Anlass, der dem Kündigenden das Abwarten der regulären Kündigungsfristen unzumutbar macht. Bei einem Zeitvertrag wird gefragt, ob dem Kündigenden zugemutet werden kann, das Arbeitsverhältnis bis zum Ende der vereinbarten Vertragslaufzeit aufrecht zu erhalten. Wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus einem solchen Grund beenden möchte, würde er sich widersprüchlich verhalten, wenn er diesen Grund längere Zeit stillschweigend hingenommen hätte, um dann überraschend eine außerordentliche Kündigung auszusprechen. Das Gesetz schreibt daher vor, dass eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen ausgesprochen werden kann, nachdem der Kündigende den wichtigen Grund erfahren hat.

Nach der Rechtsprechung ist eine außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers aus verhaltensbedingten Gründen, d.h. wegen eines Pflichtverstoßes des Arbeitnehmers, in der Regel nur wirksam, wenn die folgenden fünf Voraussetzungen vorliegen.

Fehlt auch nur eine davon, ist die Kündigung unwirksam:

  • Der gekündigte Arbeitnehmer muss in so gravierender Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen haben, dass dem Arbeitgeber das Abwarten der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann (gravierender Pflichtverstoß). Andernfalls kommt nur eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung in Betracht.
  • Der Pflichtverstoß des Arbeitnehmers muss rechtswidrig sein, d.h. es darf keine rechtfertigenden Umstände geben. Außerdem muss der Pflichtverstoß schuldhaft, d.h. vorsätzlich oder zumindest fahrlässig begangen worden sein.
  • Die Kündigung muss verhältnismäßig sein, d.h. es darf kein milderes Mittel geben, um das Arbeitsverhältnis trotz des Pflichtverstoßes weiter fortzusetzen, also für die Zukunft wieder zu reparieren (negative Prognose). Ein milderes Mittel kann je nach Lage der Dinge eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung, eine Änderungskündigung oder eine Abmahnung des Arbeitnehmers sein. Manchmal kommt auch eine Versetzung des Arbeitnehmers auf einen anderen Arbeitsplatz als milderes Mittel in Betracht.

Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen muss das Interesse des Arbeitgebers an einer sofortigen Beendigung überwiegen. Diese »Interessenabwägung« muss zugunsten des Arbeitgebers ausgehen, damit die Kündigung rechtens ist. Schließlich muss der Arbeitgeber die oben erwähnte Zweiwochenfrist einhalten.

Für eine außerordentliche Kündigung durch den Arbeitnehmer gelten diese Voraussetzungen sinngemäß. Auch er muss – zum Beispiel bei Zahlungsverzug – erst eine Abmahnung aussprechen.

Die Rechtsprechung kennt keine Pflichtverstöße, die zwangsläufig eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.

In den folgenden Fällen kann der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung aber in der Regel aussprechen:

  • Diebstahl und Unterschlagung zulasten des Arbeitgebers oder von Kollegen
  • (schwere) Beleidigungen, (erhebliche) Tätlichkeiten oder sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz
  • geschäftsschädigende Äußerungen, Anzeige des Arbeitgebers bei Behörden
  • Annahme von Schmiergeld
  • Androhung von Krankheit
  • grundlose und fortdauernde Arbeitsverweigerung
  • Selbstbeurlaubung

Als ausreichend für eine außerordentliche Kündigung durch den Arbeitnehmer wurden in der Rechtsprechung angesehen:

  • wiederholt unpünktliche Zahlung der Vergütung
  • beharrliche Nicht-Abführung von Sozialabgaben
  • Beleidigungen
  • Tätlichkeiten
  • Sexuelle Belästigung

Eine Arbeitsverweigerung durch den Arbeitnehmer ist beispielsweise gerechtfertigt oder zumindest entschuldigt, wenn sie aufgrund eines ernsthaften Gewissenskonflikts erklärt wurde. Die Umstände, aus denen sich der Gewissenskonflikt ergibt, sind aber vom Arbeitnehmer darzulegen.

Auch wenn ein rechtswidriger und schuldhafter Pflichtverstoß des Arbeitnehmers vorliegt, kann der Arbeitgeber nur dann eine außerordentliche Kündigung aussprechen, wenn diese verhältnismäßig ist. Sie muss das letzte Mittel sein, es darf also kein milderes Mittel geben, um die durch den Pflichtverstoß entstandene Störung des Arbeitsverhältnisses zu beseitigen.

Abmahnungen kommen vor allem dann in Frage, wenn sich verschiedene gleichartige Pflichtverstöße im Lauf der Zeit zu einem wichtigen Grund addieren. Aber auch dann ist eine außerordentliche Kündigung nur zulässig, wenn der Abgemahnte das beanstandete Verhalten trotz vorheriger Abmahnung nicht beendet.

In bestimmten Fällen ist eine Abmahnung allerdings kein taugliches milderes Mittel, so vor allem bei Pflichtverstößen im Vertrauensbereich (Diebstahl, Spesenbetrug etc.) oder dann, wenn der Arbeitnehmer weitere gleichartige Pflichtverstöße ankündigt. In solchen Fällen geht die Rechtsprechung davon aus, dass eine Abmahnung keine Verbesserung des gestörten Arbeitsverhältnisses bewirken kann.

Als milderes Mittel kommt auch eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung in Frage. Auch sie beendet das Arbeitsverhältnis, doch lässt sie dem Gekündigten die Kündigungsfrist und belastet ihn daher nicht so wie eine außerordentliche Kündigung. Wenn der Arbeitnehmer zum Beispiel noch Urlaubsansprüche hat, die eine Beurlaubung für die Dauer der Kündigungsfrist erlauben, kann der Arbeitgeber gehalten sein, statt einer außerordentlichen eine ordentliche Kündigung auszusprechen.

Eine weitere Alternative zu einer außerordentlichen Kündigung kann seine Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz oder eine Änderungskündigung sein. Hat der Arbeitnehmer zum Beispiel im Kontakt mit Kunden durch geschäftsschädigende Äußerungen gegen den Arbeitsvertrag verstoßen, kann er diese Art von Pflichtverstoß nicht mehr begehen, wenn er künftig eine Arbeit ohne Kundenkontakte erledigt.

Grundsätzlich gilt: Die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen abgewogen werden.

Diese Abwägung kann auch zugunsten des Arbeitnehmers ausfallen. So kann es zu seinen Gunsten sprechen, wenn er zum Beispiel bereits sehr lange ohne Beanstandungen beschäftigt war oder wenn im konkreten Einzelfall die negativen Auswirkungen seines Pflichtverstoßes nicht so gravierend sind wie in vergleichbaren Fällen. Bei der Abwägung spielt auch die soziale Situation des Arbeitnehmers eine Rolle: Lebensalter, Unterhaltsverpflichtungen, Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Bei Vermögensdelikten im Bagatellbereich ist eine außerordentliche Kündigung nach langer und störungsfreier Beschäftigung meistens unverhältnismäßig, wie das Bundesarbeitsgericht im Fall Emmely entschieden hat. Der Fall der Berliner Supermarktkassiererin »Emmely«, der dem Urteil zugrunde liegt, hatte bundesweit Schlagzeilen gemacht.

Über die erwähnte Zweiwochenfrist zwischen Erkennen von Verstößen und außerordentlicher Kündigung wird vor Gericht oft gestritten.

Dazu wurde unter anderem Folgendes entschieden:

  • Bei nicht entschuldigtem Fernbleiben des Arbeitnehmers oder bei Selbstbeurlaubung beginnt die Frist erst dann, wenn der Arbeitnehmer wieder zur Arbeit erscheint.
  • Ergeben wiederholte gleichartige Pflichtverstöße erst in ihrer Gesamtheit einen wichtigen Grund, beginnt die Frist erst beim letzten Verstoß.
  • Bei strafbaren Handlungen des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber sogar das Ende des Strafverfahrens abwarten.
  • Außerdem kann der Arbeitgeber vor Beginn der Zweiwochenfrist den Sachverhalt aufklären, wenn ihm Umstände bekannt geworden sind, die auf einen wichtigen Grund hindeuten. Dazu kann er auch den Arbeitnehmer anhören.
  • Schließlich kann sich die Zweiwochenfrist auch verlängern, wenn die Parteien in zeitlich fest begrenzten Gesprächen nach Möglichkeiten suchen, das Arbeitsverhältnis ohne außerordentliche Kündigung zu beenden.

In der Kündigungserklärung selbst müssen die Gründe nicht angegeben werden. Der Arbeitgeber muss diese dem Arbeitnehmer jedoch auf Verlangen unverzüglich schriftlich mitteilen. Ein Verstoß gegen diese Pflicht führt jedoch nicht automatisch dazu, dass die Kündigung unwirksam ist. Er ist auch nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer zuvor anzuhören, sollte dies aber tun, um Risiken zu vermeiden. Spätestens in einem Kündigungsschutzprozess muss der Arbeitgeber die Gründe für seine Kündigung auch offenlegen, da er ansonsten den Prozess verliert.

Will der Arbeitgeber neben einer außerordentlichen Kündigung wegen eines Pflichtverstoßes (»Tatkündigung«) auch eine außerordentliche Kündigung wegen eines dringenden Tatverdachts aussprechen (»Verdachtskündigung«), muss er den Arbeitnehmer vorher anhören. Andernfalls ist die Verdachtskündigung unwirksam.

Generell unwirksam sind alle Arten von Kündigungen, wenn es in dem Betrieb einen Betriebsrat gibt und der Arbeitgeber diesen vor Ausspruch der Kündigung nicht angehört hat. Unwirksam ist auch die Kündigung bestimmter besonders geschützter Arbeitnehmer wie etwa eines Betriebsrats, einer Schwangeren oder eines Schwerbehinderten, falls der Arbeitgeber die dafür vorgeschriebenen gesetzlichen Formalitäten nicht beachtet hat. Im letzten Fall muss zum Beispiel das Integrationsamt der Kündigung zustimmen.

Was tun bei Erhalt einer außerordentlichen Kündigung?

Ob man gegen eine außerordentliche Kündigung vorgeht, also Kündigungsschutzklage erhebt, muss spätestens innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung entschieden sein. Das gilt auch für Arbeitnehmer, die keinen allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz genießen. Die Einhaltung der Frist ist für denjenigen wichtig, der eine gute Abfindung aushandeln möchte. Ist sie einmal versäumt, hat eine Kündigungsschutzklage praktisch keine Aussicht mehr.

Wer eine Rechtsschutzversicherung hat oder durch seine Gewerkschaft rechtlich vertreten wird, riskiert durch eine Kündigungsschutzklage in der Regel nichts.

Ohne Möglichkeit einer Kostenerstattung kann man entweder nichts unternehmen, selbst klagen oder sich auf eigene Kosten von einem Rechtsanwalt vertreten lassen. Zumindest sollte man sich anwaltlich über die Erfolgsaussichten einer Klage beraten lassen. Bei prekären Verhältnissen übernimmt eventuell der Staat die Kosten für einen Rechtsanwalt im Weg der Verfahrenskostenhilfe.

Wer eine außerordentliche Kündigung wegen angeblichen Pflichtverstoßes auf sich beruhen lässt, wird von der Agentur für Arbeit in aller Regel für zwölf Wochen verhängen gesperrt. Auch das ist ein Grund, Kündigungsschutzklage zu erheben.
Selbst dann, wenn die Chancen, den Prozess zu gewinnen, eher gering sind und an eine Abfindung kaum zu denken ist. Oft kann wenigstens ein Vergleich ausgehandelt werden, der besagt, dass das Arbeitsverhältnis nicht wegen eines Pflichtverstoßes endet, sondern aus anderen Gründen.