Betriebliche Übung
Betriebliche Übungen (oder »Betriebsübungen«) sind regelmäßige Wiederholungen gleichartiger Vorgehensweisen des Arbeitgebers. Sie stellen sicher, dass die Arbeitnehmer auf Dauer eine bestimmte Vergünstigung erhalten.
Eine betriebliche Übung führt zu einer Änderung der arbeitsvertraglichen Rechte des Arbeitnehmers und damit zu einer inhaltlichen Änderung des Arbeitsvertrags. Die Übung sowie die aus ihr folgenden Rechte des Arbeitnehmers haben nicht den Rang einer Betriebsvereinbarung oder eines Tarifvertrags, sondern stehen auf der Ebene des Arbeitsverhältnisses oder Arbeitsvertrags.
Aus einer betrieblichen Übung können daher sämtliche Ansprüche folgen, die auch Gegenstand eines Arbeitsvertrags sein können. Vor allem Zahlungsansprüche ergeben sich oft aus einer Betriebsübung.
Beispiel für eine betriebliche Übung ist eine jährliche Sonderzahlung wie ein Weihnachtsgeld, das der Arbeitgeber mehrere Jahre lang in gleichbleibender Höhe gewährt. Das können immer 1.000 Euro sein oder immer ein ganzes oder halbes Monatsgehalt.
Typisch für die Betriebsübung ist, dass die Arbeitnehmer keinen arbeitsvertraglichen oder aus einem Tarifvertrag folgenden Anspruch haben. Die Leistung wird also freiwillig gewährt, ohne Rechtsgrundlagen oder Vereinbarungen.
Die Rechtsprechung geht davon aus, dass nach einer über mindestens drei Mal wiederholten Zahlung in gleichförmiger Weise eine betriebliche Übung entstanden ist.
Das bedeutet für die Arbeitnehmer, dass sie ab dem vierten Mal einen Rechtsanspruch auf diese Leistung haben.
Andere Beispiele für Betriebsübungen sind
- die Anwendung bestimmter Tarifverträge zugunsten der Arbeitnehmer,
- die Gewährung von Jubiläumszuwendungen,
- die Zahlung von Essengeld- oder Fahrtkostenzuschüssen,
- die Übernahme von Fortbildungskosten oder auch
- die Bereitstellung eines Parkplatzes auf dem Firmengelände.
Sogar finanziell umfangreiche Zusagen wie eine betriebliche Altersversorgung können auf einer betrieblichen Übung beruhen.
Will ein Arbeitgeber das Entstehen einer betrieblichen Übung verhindern, kann er die Leistung »ohne Anerkennung einer Rechtspflicht« erbringen. Einfach in unregelmäßiger Höhe zu zahlen, genügt seit 2015 nicht mehr. Das Bundesarbeitsgericht hat nämlich entschieden, dass die Arbeitnehmer auch bei Sonderzahlungen in schwankender Höhe und auf jeweils unterschiedlicher Berechnungsgrundlage im Prinzip einen Anspruch aufgrund einer Betriebsübung haben. Der Arbeitgeber muss nur »nach billigem Ermessen« entscheiden, wie hoch der Anspruch ist.
Einmal durch betriebliche Übungen entstandene Ansprüche kann der Arbeitgeber nur durch einvernehmliche Aufhebung beseitigen, notfalls muss er eine Änderungskündigung aussprechen.
Auch Arbeitgeber können irren, und das hat in diesem Zusammenhang möglicherweise Auswirkungen auf diesen Punkt. Hat er nämlich eine Leistung in dem irrigen Glauben gewährt, nach Arbeits- oder Tarifvertrag dazu verpflichtet zu sein, und kann der Arbeitnehmer diesen Irrtum erkennen, dann ist sein Vertrauen in den weiteren Erhalt der Leistung nicht schützenswert, so dass keine betriebliche Übung entsteht.
Das betrifft vor allem Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst. Hier gilt im allgemeinen der Grundsatz, dass der Arbeitgeber wegen seiner haushaltsrechtlichen Pflicht zur sparsamen Mittelverwendung nur Leistungen erbringen will, zu denen er rechtlich verpflichtet ist. Darüber hinausgehende Leistungen führen deshalb oft zu keiner Betriebsübung.
Ein einseitiger Widerruf des Arbeitgebers genügt im allgemeinen nicht zur Beseitigung der Folgen einer Betriebsübung. Eine Ausnahme gilt dann, wenn sich der Arbeitgeber den Widerruf ausdrücklich vorbehalten hat. Dieser Widerrufsvorbehalt muss allerdings unmissverständlich erklärt worden sein.
Auch mit Hilfe einer Betriebsvereinbarung können die aus einer betrieblichen Übung folgenden Ansprüche nicht wieder beseitigt werden. Sie gehören nämlich zum Einzelvertrag und der Betriebsrat hat nicht die Rechtsmacht, in diese zu Lasten seiner Kollegen einzugreifen.