Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)

Wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig ist, muss der Arbeitgeber mit ihm beraten, wie er wieder voll in den Betrieb integriert werden kann. Ziel ist, die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und den Arbeitsplatz zu erhalten.

Ist etwa ein Arbeitnehmer im Jahr 2018 drei Mal für jeweils zwei Wochen arbeitsunfähig erkrankt und gegen Ende des Jahres nochmals für eine Woche, dann ist das länger als sechs Wochen.

Diese Klärung heißt nach dem Gesetz »betriebliches Eingliederungsmanagement« (BEM) und ist nicht nur für behinderte oder schwerbehinderte Personen vorgesehen.

Gesetzliche Voraussetzung für die Pflicht zum BEM ist lediglich, dass ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig war.

Wie diese Klärung abzulaufen hat, ist gesetzlich nicht festgelegt.

Vorgeschrieben ist lediglich, dass der betroffene Arbeitnehmer sowie im Regelfall auch der Betriebsrat oder Personalrat einbezogen werden müssen. Außerdem soll der Werks- oder Betriebsarzt hinzugezogen werden, falls vorhanden. Bei schwerbehinderten Personen ist die Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen.

Außerdem ist der Arbeitnehmer zuvor auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements und auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen.

Das Gesetz stellt ausdrücklich klar, dass das BEM »mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person« durchzuführen ist. Ohne oder gar gegen den Willen des Betroffenen ist ein BEM also nicht möglich.

Arbeitnehmer haben deshalb auch keine rechtliche Pflicht, sich an einem BEM zu beteiligen.

Sie können auch frei darüber entscheiden, ob betriebliche Stellen (Betriebsrat, Personalrat, Schwerbehindertenvertretung) an einem BEM beteiligt werden und welche das sein sollen.

Das heißt aber nicht, dass ein erkrankter Arbeitnehmer den Vorschlag des Arbeitgebers, ein BEM durchzuführen, einfach ignorieren sollte.

Denn zum einen können sich durch ein gemeinsam durchgeführtes BEM konkrete Möglichkeiten der Wiedereingliederung ergeben, die man vorher nicht gesehen hat, und zum anderen kann es dem Arbeitnehmer auch in punkto Kündigungsschutz schaden, die Einladung zum BEM in den Papierkorb zu werfen. Denn dann hat der Arbeitgeber seine Verpflichtung zur Durchführung eines BEM erfüllt und kann leichter eine krankheitsbedingte Kündigung aussprechen.

In Sachen Beteiligung betrieblicher Stellen gibt es allerdings einen Konflikt: Einerseits kann es der erkrankte Arbeitnehmer ablehnen, den Betriebsrat an einem BEM zu beteiligen, andererseits ist der Betriebsrat gesetzlich verpflichtet, darüber zu wachen, dass der Arbeitgeber mit betroffenen Arbeitnehmern ein BEM durchführt.

Diese Überwachungspflicht kann der Betriebsrat aber nur ausüben, wenn er entsprechende Fälle kennt. Stimmt ein Arbeitnehmer der Weitergabe seiner Krankheitsdaten nicht zu oder lehnt er jede Einbeziehung des Betriebsrats generell ab, ist fraglich, ob der Betriebsrat trotzdem verlangen kann, über einen solchen Fall informiert zu werden.

Zu dieser Frage hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die Kontrollrechte des Betriebsrats wichtiger sind als der Arbeitnehmerdatenschutz.

Allerdings kann der Betriebsrat nicht mehr verlangen als eine allgemeine Auskunft des Arbeitgebers über krankheitsbedingte Fehlzeiten von Arbeitnehmern sowie einen Nachweis darüber, dass der Arbeitgeber dem betroffenen Arbeitnehmer ein BEM angeboten hat. Wie das BEM im Einzelfall durchzuführen ist, hängt von der freien Entscheidung des Arbeitnehmers ab, der daher die Beteiligung des Betriebsrats in seinem konkreten Fall ablehnen kann.

Wenn der Arbeitgeber kein betriebliches Eingliederungsmanagement anbietet, hat er es erheblich schwerer, eine krankheitsbedingte Kündigung auszusprechen. Laut Bundesarbeitsgericht führt das Unterlassen eines BEM zwar nicht immer und automatisch zur Unwirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung.

Der Arbeitgeber hat dann in einem Kündigungsschutzprozess allerdings eine erhöhte Darlegungs- und Beweislast über die betrieblichen Auswirkungen der krankheitsbedingten Fehlzeiten. Führt er kein BEM durch, kann er sich im Prozess nicht darauf berufen, dass keine alternativen, der Erkrankung angemessenen Einsatzmöglichkeiten vorhanden sind.

Diesen Nachweis zu führen ist sehr schwer, so dass eine krankheitsbedingte Kündigung vor Gericht dann meistens scheitert.

Deshalb ist es auch für den erkrankten Arbeitnehmer wichtig, sich an einem BEM zu beteiligen: Hat das BEM erst einmal begonnen, ist es meist nicht mit einem einzigen kurzen Gespräch zwischen Arbeitnehmer und Personalabteilung getan. Vielmehr muss sich der Arbeitgeber dann auch Mühe geben. Bricht er das BEM zu früh ab oder führt es nur halbherzig durch, treffen ihn dieselben nachteiligen Rechtsfolgen wie beim vollständig unterlassenen BEM.

Im Dezember 2009 hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass der Arbeitgeber keinesfalls genug tut, wenn er vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung ein bis zwei Rückkehrgespräche führt und das Thema BEM damit für erledigt hält. Im konkreten Fall führte der Arbeitgeber ein BEM durch, und der betriebsärztliche Dienst schlug der betroffenen Arbeitnehmerin eine stationäre Maßnahme der medizinischen Rehabilitation vor, um ihren häufigen und langen Erkrankungen künftig vorzubeugen.

Die Arbeitnehmerin lehnte das aber ab, da sie sich um ihre Kinder kümmern musste. Daraufhin sprach der Arbeitgeber eine krankheitsbedingte Kündigung aus, die das BAG für unwirksam erklärte.

Nach Ansicht des Gerichts hätte der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin ausdrücklich dazu auffordern müssen, eine stationäre Rehabilitation durchzuführen und er hätte sie dabei deutlich und unter Setzung einer Frist darauf hinweisen müssen, dass sie im Weigerungsfall mit einer Kündigung rechnen müsse. Da der Arbeitgeber das nicht getan hatte, war sein BEM nicht ausreichend.