Entfristungsklage

Der Begriff der Entfristung machte kürzlich die Runde, weil Bediensteten der Post, die häufig wegen Krankheit oder aus anderen Gründen fehlten, eine Umwandlung ihrer befristeten Arbeitsverträge in unbefristete verweigert wurde.

Wenn im Arbeitsvertrag eine Befristung enthalten ist, muss man mit einer absehbaren Kündigung leben. Das Arbeitsverhältnis endet nämlich so oder so zu einem vorab feststehenden Zeitpunkt. Dabei kommt es nicht auf gute Leistungen an und ob es dem Arbeitgeber wirtschaftlich schlecht geht.

Wenn der vereinbarte Beendigungszeitpunkt näher rückt und der Arbeitgeber zu einer Vertragsverlängerung nicht bereit ist, steht man vor der Frage, die Befristung auf sich beruhen zu lassen oder beim Arbeitsgericht Klage zu erheben.

Eine solche Klage heißt »Befristungskontrollklage« oder »Entfristungsklage«. Sie ist dann sinnvoll, wenn die vereinbarte Befristung entweder unwirksam ist oder wenn zumindest Zweifel an ihrer Wirksamkeit bestehen.

Die Befristung eines Arbeitsvertrags ist in den folgenden Fällen unwirksam:

  • Die Befristung wurde nur mündlich oder per Handschlag vereinbart. Dann ist der Arbeitsvertrag wirksam, aber nicht die Befristung.
  • Ein/e Arbeitnehmer/in wird zu Anfang März neu eingestellt und soll einen ohne Sachgrund befristeten Vertrag erhalten. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wird dem Arbeitnehmer aber erstmals Ende März zur Unterschrift vorgelegt. Hier besteht bereits ein mündlicher Arbeitsvertrag, und zwar ohne Befristung.
  • Ein schriftlicher Arbeitsvertrag mit einem neu eingestellten Arbeitnehmer ist grundlos auf ein Jahr befristet und soll von Januar bis Dezember gelten. Mitte Dezember wird in einer Verlängerungsvereinbarung eine weitere Befristung um ein Jahr sowie eine Erhöhung der Wochenstundenzahl von 20 auf 30 festgelegt. Diese Vereinbarung ist keine Verlängerung des alten Vertrags, sondern der Abschluss eines anderen Arbeitsvertrags. Damit ist die Anschlussbefristung unwirksam.
  • Ein schriftlicher Arbeitsvertrag mit einem neu eingestellten Arbeitnehmer ist grundlos auf ein Jahr befristet und soll von Januar bis Dezember gelten. Mitte Januar des folgenden Jahres wird eine weitere Befristung um ein Jahr vereinbart. Diese Vereinbarung kommt zu spät, da sie noch während der Laufzeit der ersten Befristung hätte getroffen werden müssen.

Zweifel an der Wirksamkeit einer Befristung bestehen in den folgenden Fällen:

  • Nachdem der Arbeitvertrag eines neu eingestellten Arbeitnehmers zwei Jahre grundlos befristet war, folgt eine weitere Befristung um ein Jahr unter Berufung auf einen nur vorübergehenden Bedarf, weil der Arbeitnehmer eigentlich für ein befristetes Projekt arbeitet. Tatsächlich hat er aber mit dem Projekt nur wenig zu tun. Im Wesentlichen erfüllt er seit seiner erstmaligen Einstellung andere Aufgaben.
  • Ein EDV-Spezialist wird zuerst zwei Jahre grundlos befristet beschäftigt und danach um weitere zwei Jahre wegen eines angeblich nur vorübergehenden Bedarfs. Dass nur vorübergehend Bedarf an der Arbeit des EDV-Spezialisten besteht, soll aus der Einführung einiger neuer EDV-Programme folgen. Es gibt aber keine nachvollziehbare zeitliche Prognose dazu, dass diese Einführung neuer EDV-Programme zwei Jahre dauern soll.
  • Ein Arbeitnehmer wird zur Vertretung eines abwesenden Kollegen auf zwei Jahre befristet eingestellt. Noch vor Ablauf der zwei Jahre scheidet der abwesende Kollege aus dem Arbeitsverhältnis aus. Trotzdem wird der befristete Vertretungsvertrag um ein weiteres Jahr verlängert und auch diesmal wird ein Mehrbedarf als Befristungsgrund genannt. Ob bei Abschluss des Verlängerungsvertrags andere Kollegen mit vergleichbaren Arbeitsaufgaben abwesend sind oder nicht, ist nicht sicher.
  • Eine im öffentlichen Dienst bei einer großen Dienststelle tätige Angestellte ist seit neun Jahren beschäftigt, und zwar auf der Grundlage von elf aufeinander folgenden Arbeitsverträgen. Zur Begründung dieser Kettenbefristung wird in jedem einzelnen Arbeitsvertrag ein Vertretungsbedarf behauptet, weil tatsächlich immer irgendein vergleichbarer Kollege länger krank oder in Elternzeit ist. Hier könnte ein Missbrauch der gesetzlich gegebenen Befristungsmöglichkeit vorliegen.

In den vier letztgenannten Fällen benötigt der Arbeitgeber einen arbeitsrechtlich anerkannten sogenannten »Sachgrund« für eine Befristung, der in den vier ersten Beispielen nicht erforderlich ist. Ob ein solcher Sachgrund zum Zeitpunkt der zuletzt vereinbarten Befristung objektiv vorlag, ist oft nicht eindeutig und schon gar nicht auf Anhieb zu erkennen. Dann bestehen Zweifel an der Wirksamkeit der Befristung.

Daher gilt: Bevor man sich dafür entscheidet, eine Befristung ohne Klage hinzunehmen, sollte man auf jeden Fall rechtlichen Rat einholen.

Mit einer Entfristungsklage verfolgt der klagende Arbeitnehmer das Ziel, die Unwirksamkeit der vereinbarten Befristung des Arbeitsvertrags gerichtlich feststellen zu lassen.

In den meisten Fällen werden mehrere aufeinander folgende Befristungen vereinbart. Auf eine befristete Einstellung folgen eine weitere oder sogar mehrere befristete Verlängerungen. In einem solchen Fall kommt es nach der Rechtsprechung immer nur auf die Wirksamkeit der zuletzt vereinbarten Befristung an. Alle davor liegenden Befristungen werden nicht vom Gericht überprüft.

Führt eine Befristungskontrollklage zum Ziel, muss der Arbeitnehmer auch nach dem unwirksam vereinbarten Beendigungstermin weiter zur Arbeit gehen und der Arbeitgeber weiter Lohn bezahlen: Alles bleibt, wie es war.

Hat eine Befristungskontrollklage Erfolg, ist nur die Befristung vom Tisch. Alles andere ändert sich nicht.

Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer rechtlich so gestellt ist, als hätte er die im zuletzt abgeschlossenen Zeitvertrag enthaltene Befristung nicht vereinbart.

Davon hat der Kläger aber nur dann etwas, wenn das erfolgreich entfristete Arbeitsverhältnis gegenüber einer Kündigung Bestandsschutz genießt, wenn also Kündigungsschutz in Anspruch genommen werden kann.

Wurde eine Entfristungsklage eingereicht, stellt das Gericht die Klage dem Arbeitgeber zu und es findet zunächst eine Güteverhandlung statt. In dieser wird die Angelegenheit allein vor dem Vorsitzenden der Kammer ohne die beiden ehrenamtlichen Richter besprochen.

Die Güteverhandlung soll innerhalb von zwei, höchstens vier bis sechs Wochen nach Klageerhebung anberaumt sein.

In vielen Fällen kann die Klage dann schon im Gütetermin durch einen Vergleich beendet werden: Dabei einigt man sich in aller Regel auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und auf Zahlung einer Abfindung oder auf eine befristete letztmalige Vertragsverlängerung. Im Extremfall kann die Entfristungsklage also schon innerhalb von zwei Wochen nach Klageerhebung erledigt sein.

Werden sich die Parteien im Gütetermin nicht einig, gibt es einen weiteren Termin, und zwar vor der mit drei Richtern vollständig besetzten Kammer des Arbeitsgerichts. Dieser Termin heißt Kammertermin. Bis zu diesem hat der Arbeitgeber Gelegenheit, schriftlich auf die Klage zu erwidern und die strittige Befristung rechtlich zu begründen. Zu dieser Klageerwiderung kann der klagende Arbeitnehmer wiederum schriftlich Stellung nehmen.

Mit einer Entfristungsklage lässt sich keine Abfindung erzwingen. Diese ist immer das Ergebnis eines freiwillig abgeschlossenen Prozessvergleichs.

Anders als bei Kündigungsschutzklagen kommt bei Entfristungsklagen als Kompromiss oft eine weitere vorübergehende, also erneut befristete Beschäftigung in Betracht. Das bedeutet, dass man das Verfahren zwar auch per Vergleich und eine gütliche Einigung erledigt, nur dass ein solcher Vergleich eben keine Abfindung enthält wie bei einer Kündigungsschutzklage, sondern die Regelung, dass der Arbeitnehmer noch ein oder zwei Jahre weiter beschäftigt wird.

Gegen eine Befristung des Arbeitsverhältnisses kann man auch dann gerichtlich vorgehen, wenn man von vornherein weiß, dass man das Arbeitsverhältnis nicht fortsetzen will.

Wie bei einer Kündigungsschutzklage geht es auch bei einer Entfristungsklage vielen Arbeitnehmern gar nicht um eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, sondern um ein gutes Zeugnis und eine (mögliche) Abfindung.