Schadensersatz
7 Wochen für Regulierung eines Unfall Schadens sind zu lang
Nach einer Entscheidung des OLG Hamm, darf sich eine Haftpflichtversicherung keine 7 Wochen Zeit lassen, bis sie einen Schaden aus einem Unfall reguliert. Das OLG begründete seine Entscheidung (Beschluss v. 12.06.2015, Az. 11 W 47/15) wie folgt:
Es steht zwischen den Parteien nicht im Streit und ist auch im Ausgangspunkt vom Landgericht zutreffend erkannt worden, dass dem Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer bei der Regulierung von Unfallschäden nach allgemeiner Rechtsprechung grundsätzlich eine Prüffrist zuzubilligen ist, vor deren Ablauf eine Klage nicht veranlasst ist. Dabei ist die Dauer der Prüffrist von der Lage des Einzelfalls abhängig. Nach den vom Landgericht im angefochtenen Beschluss zitierten Entscheidungen wird bei durchschnittlichen Verkehrsunfällen regelmäßig eine Prüffrist von 4 – 6 Wochen akzeptiert. Restriktiver ist die Auffassung des OLG München, das unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts in der Schadensbearbeitung von einer regelmäßigen Maximalfrist von 4 Wochen ausgeht und dies als herrschende Meinung bezeichnet (Beschluss vom 29.07.2010 – 10 W 1789/10 – Rn. 6, zitiert nach juris).
Es kann dahinstehen, ob mit den Erwägungen des OLG München regelmäßig nur eine Maximalfrist von 4 Wochen zuzubilligen ist. Denn jedenfalls war die hier von der Beklagten zu 3) in Anspruch genommene Prüffrist von insgesamt mehr als 7 Wochen zwischen dem ersten spezifizierten Anspruchsschreiben vom 23.10.2014 und der (zu Gunsten der Beklagten unterstellt) am 12.12.2014 erfolgten Regulierung nicht gerechtfertigt.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts ergibt sich aus der am 06.11.2014 erfolgten Schadensabrechnung auf Reparaturbasis keine Verlängerung der Prüffrist bis zum 17.12.2014. Die Prüfung des die Schadensersatzpflicht auslösenden Ereignisses durch die Beklagte zu 3) war nämlich ausweislich ihres ersten Regulierungsschreibens schon am 06.11.2014 und damit innerhalb von 2 Wochen nach der ersten Schadensabrechnung vom 23.10.2014 abgeschlossen, was für die Richtigkeit der Auffassung des OLG München sprechen dürfte. Danach ging es nur noch um die Prüfung der Angemessenheit der mit Anwaltsschreiben vom 06.11.2014 angemeldeten Reparaturkosten. Es sind keine Anhaltspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich, weshalb für diese Prüfung weitere 5 Wochen und damit mehr als das doppelte des Zeitraumes erforderlich war als bei der ersten Schadensabrechnung. Namentlich ist nichts dafür dargelegt, welche Ermittlungen die Beklagte zu 3) noch vornehmen wollte oder vorgenommen hat. Eine solche Mitteilung über etwa noch ausstehende Ermittlungen ist nach dem unstreitigen Sachverhalt auch nicht auf die anwaltlichen Sachstandsanfragen vom 11.11.2014 und 26.11.2014 erfolgt. Bei dieser Sachlage lagen keinerlei triftige Gründe vor, die dem Interesse des Klägers an einer zügigen Regulierung durch Erhebung der – der Beklagten zu 3) im Übrigen für den 03.12.2014 angekündigten – Klage mehr als 4 Wochen nach der Schadensabrechnung vom 06.11.2014 entgegengehalten werden könnten. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang der von der Beschwerdeerwiderung geltend gemachte Einwand, die mit Anwaltsschreiben vom 28.01.2015 von den Prozessbevollmächtigten des Klägers berechneten Kosten seien jedenfalls teilweise unberechtigt gewesen. Denn das hat mit der Frage der Prüffrist für die mit Schreiben vom 06.11.2014 geltend gemachten Reparaturkosten nichts zu tun.
Nach einem Unfall sollte daher keine Zeit vergeudet werden und auch bei einem vermeintlich unstreitigem Sachverhalt ein im Verkehrsrecht versierter Rechtsanwalt eingeschaltet werden. Die entstehenden Kosten sind bei einem unverschuldetem Unfall immer von der Versicherung zu tragen.
Schadensersatz nach Unfall wegen schlechter Fahrbahn
Das OLG Hamm (Urteil vom 18.12.2015 – 11 U 166/14) hat das beklagte Land zum Schadensersatz nach einem Unfall aufgrund Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht verurteilt. Die Klägerin war mit ihrem Motorrad bei regennasser Fahrbahn gestürzt. Sie hatte vorgetragen, dass sie gestürzt sei, da die Fahrbahn an der Unfallstelle nicht (mehr) griffig genug gewesen sei.
Nach dem OLG haftet das beklagte Land aufgrund einer Verkehrssicherungspflichtverletzung für einen Fahrbahnbelag, der eine unzureichende Griffigkeit aufweist, wenn es aufgrund dieser Gefahrenquelle zu einem Unfall kommt.
Nach dem OLG sei dem beklagten Land bereits seit mehreren Jahren bekannt gewesen, dass der Fahrbahnbelag an der Unfallstelle nicht griffig genug gewesen sei. Das Land sei deshalb gehalten gewesen, an der Unfallstelle durch entsprechende Beschilderung auf die bei Nässe bestehende Rutschgefahr hinzuweisen und die Höchstgeschwindigkeit zu begrenzen. Dies habe das Land nicht getan, was ihm nun vorgeworfen wird, so dass die Frage, ob das Land auch zur Sanierung der Fahrbahn verpflichtet gewesen wäre, nicht mehr entschieden wurde.
Allerdings hat das OLG auch die Betriebsgefahr des von der Klägerin gefahrenen Motorrades als verwirklicht angesehen, so dass es von einer Mithaftung der Klägerin von 25% ausgegangen ist.
Also auch bei vermeintlich selbstverschuldeten Unfällen kann die Beratung durch einen im Verkehrsrecht versierten Rechtsanwalt sich lohnen, um Schadensersatz nach Unfall geltend zu machen.
„Golfplatz“ auf der Autobahn – wer bei Schlagloch Unfällen haftet
Der Winter hat auf unseren Straßen holprige Schäden hinterlassen. Wer in eines der Schlaglöcher fährt, muss die Schäden an seinem Auto nicht immer selbst zahlen:
Auf Hauptstraßen hat die Kommune eine sogenannte Verkehrssicherungspflicht, das heißt, sie muss die Autofahrer auf die Gefahr hinweisen oder eine Geschwindigkeitsbegrenzung einführen. Tut sie das nicht, kann der Autofahrer die Gemeinde haftbar machen (Entscheidung des Oberlandesgerichtes Saarbrücken, Az 4U185/09). Schlaglöcher in Nebenstraßen sind von der Regel ausgenommen. Die Sicherungspflicht gilt aber erst recht für Autobahnen, hier sind die Bundesländer für Schadenersatz zuständig (Urteil des Landgerichts Halle, Az 7 O470/97). Und wer auf einem privaten Parkplatz seine Reifen ruiniert, kann dies dem Betreiber in Rechnung stellen.
Für Schlagloch-Schäden an anderen kommt die Kfz-Haftpflichtversicherung auf. Sie ersetzt beispielsweise den teuren Anzug des Fußgängers, der durch Spritzwasser ruiniert wurde. Voraussetzung ist, dass das Schlagloch für den Autofahrer gut zu sehen war.
Vorsicht allerdings, wer gerne etwas zu schnell unterwegs ist – dann muss er trotz Schlagloch zumindest anteilig selbst bezahlen.
Kein Schadensersatz nach Unfall bei manipulierter Laufleistung
Nach einer Entscheidung des AG Bochum steht dem Geschädigten eines Unfalls kein Schadensersatz zu, wenn feststeht, dass an seinem Fahrzeug der Tachostand manipuliert wurde.
Steht eine Tachomanipulation fest, lässt sich weder der Wiederbeschaffungswert noch der Minderwert verlässlich ermitteln und damit auch nicht die Reparaturwürdigkeit des Fahrzeugs. In einem solchen Fall kann der Geschädigte keinerlei Ersatz des Fahrzeugschadens verlangen; bei Bösgläubigkeit auch nicht Erstattung der Sachverständigenkosten.
Das Gericht hat daher die Klage auf Ersatz der Reparaturkosten, der Wertminderung und auch die Sachverständigenkosten abgewiesen, da feststand, dass an dem Fahrzeug der Tachostand manipuliert wurde. In dem entschiedenen Fall stand fest, dass der Kläger bösgläubig war. Wie es sich verhält, wenn dies nicht der Fall ist und erst durch die Untersuchung des Fahrzeugs durch den Sachverständigen festgestellt wird, dass die Laufleistung manipuliert wurde, ist noch nicht entschieden.
Totalschaden
Schneller Schadensersatz bei Totalschaden
Bisher standen die Haftpflichtversicherungen nach einem Unfall immer auf dem Standpunkt, dass wenn bei einem wirtschaftlichem Totalschaden der Geschädigte Schadensersatz für die Reparaturkosten fordert, erst nachgewiesen werden muss, dass das Fahrzeug auch tatsächlich weiter genutzt wird und haben erst nach Ablauf von sechs Monaten dem Geschädigten zustehenden Schadensersatz bezahlt.
Das AG Remscheid hat jetzt in einem Urteil (8 C 88/15) entschieden, dass der Schadensersatz sofort fällig wird und die sechs Monate nicht abgewartet werden müssen, da andern falls eine entschädigungslose Vorfinanzierung durch den Geschädigten erfolgt.
Das AG Remscheid begründet dies wie folgt:
„Der BGH hat in dem Fall, in dem der Geschädigte den über dem Wiederbeschaffungswert liegende Fahrzeugschaden, der innerhalb der 130%-Grenze liegt, vollständig und fachgerecht reparieren lässt, die sofortige Fälligkeit bejaht und der Auffassung, dass die den Wiederbeschaffungswert übersteigenden Reparaturkosten erst sechs Monate nach dem Unfall fällig werden, eine Absage erteilt (BGH, MDR 2009, 198 ff.).
Diese Konstellation ist auf den hier vorliegenden Fall grundsätzlich übertragbar, bei dem die Reparaturkosten zwischen Wiederbeschaffungsaufwand und Wiederbeschaffungswert liegen. Der Begriff der Fälligkeit bezeichnet den Zeitpunkt, von dem an der Gläubiger die Leistung verlangen kann; ist eine Zeit für die Leistung nicht bestimmt, noch aus den Umständen zu entnehmen, kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen.
Soweit der Geschädigte wegen Beschädigung einer Sache Wiederherstellung oder den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen kann, tritt die Fälligkeit in der Regel sofort im Zeitpunkt der Rechtsgutverletzung ein (BGH, a.a.O.).
Dass der Umfang der Ersatzpflicht in der Praxis regelmäßig erst nach einiger Zeit festgestellt werden kann, hindert daran grundsätzlich nichts. In dem entschiedenen Fall geht der BGH davon aus, dass der Geschädigte zum Ausgleich eines Fahrzeugschadens, der den Wiederbeschaffungswert um nicht mehr als 30% übersteigt, Reparaturkosten auch bei vollständiger und fachgerechter Reparatur nur verlangen kann, wenn er das Fahrzeug nach dem Unfall sechs Monate weiter nutzt. Grund für diese Rechtsprechung ist es, dass bestimmte Schadenspositionen nur dann verlangt werden können, wenn sich der Grund für ihre Zuerkennung als ausreichend beständig erweist. Ersatz des Wiederbeschaffungswertes bedeutet insoweit, dass der Restwert des beschädigten Fahrzeugs bei der Schadensregulierung unberücksichtigt bleibt, was allerdings nur dann gerechtfertigt ist, wenn der Geschädigte ihn nicht – i.d.R. durch Verkauf – realisiert, so dass er sich nur als hypothetischer Rechnungsposten darstellt, der sich in der Schadensbilanz nicht niederschlagen darf, hier genießt das Integritätsinteresse des Geschädigten Vorrang (BGH, a.a.O.).
Der BGH hat die Frage, ab wann ein Integritätsinteresse des Geschädigten im oben genannten Sinne zu bejahen ist, also ein nachhaltiges Interesse an der Weiternutzung des Fahrzeuges, dahingehend beantwortet, dass im Regelfall ein Zeitraum von sechs Monaten notwendig aber auch ausreichend ist bezüglich der Weiternutzung, um sein Integritätsinteresse ausreichend zum Ausdruck zu bringen.
Demnach stellt die 6-Monats-Frist keine zusätzliche Anspruchsvoraussetzung dar, sondern hat lediglich beweismäßige Bedeutung. Würde man die 6-Monats-Frist als eigenständige Anspruchsvoraussetzung verstehen, würde dies zu einer unzumutbaren Regulierungspraxis führen, da der Geschädigte bis zu sechs Monaten trotz ordnungsgemäßer Reparatur auf die Zahlung eines Großteils der ihm zustehenden Ersatzforderung warten müsste. Wird die Fälligkeit bis zum Ablauf der 6-Monats-Frist verschoben, könnte der Geschädigte, auch wenn sich sein Begehren als gerechtfertigt erweist, den Schädiger nicht vor Fristablauf in Verzug setzen. Dies liefe auf eine entschädigungslose Vorfinanzierung der Reparaturkosten durch den Geschädigten hinaus.
Auch sind zahlreiche Fallgestaltungen denkbar, bei denen die Nutzung des Fahrzeuges aus anderen Gründen eingestellt werden muss, die zum Beispiel durch einen anderen Unfall oder sonstige schadensrechtlich unschädliche Nutzungshindernisse entstehen können.
Demnach ist es nicht gerechtfertigt, die 6-Monats-Frist als eigenständige Anspruchsvoraussetzung anzusehen. Die Tatsache, dass in diesem Falle der Schädiger bzw. die Haftpflichtversicherung bei sofortiger Fälligkeit das Insolvenzrisiko hinsichtlich eines Rückforderungsanspruchs trägt, sofern in der 6-Monats-Frist gezahlt wird, der Geschädigte aber innerhalb der 6-Monats-Frist das Fahrzeug gleichwohl weiter veräußert, muss im Hinblick auf die oben dargestellten gewichtigen Argumente hingenommen werden.
Soweit der Versicherer zahlt, kann er die Zahlung des über dem Wiederbeschaffungsaufwand liegenden Betrages unter einen Rückforderungsvorbehalt stellen.“
Damit stellt das AG Remscheid klar, dass bei fiktiver Schadensberechnung das Fahrzeug entsprechend der überwiegenden Rechtsprechung weiterhin auch in der Zukunft genutzt werden muss. Allerdings kann die Versicherung nicht die Regulierung des Schadensersatz bis dahin verweigern.
Im Zweifel sollten daher Ansprüche nach einem Verkehrsunfall durch einen im Verkehrsrecht spezialisierten Rechtsanwalt geltend gemacht werden, um keine Ansprüche und damit Geld zu verschenken.